Wir fordern ein Verkaufsverbot von Energydrinks an Kinder und Jugendliche

Verbot von Energydrinks
Energydrinks Verbot für Jugendliche
Haben Sie Fragen? – Der Artikelautor Prof. Dr. Hans Meisel antwortet: hans.meisel[aet]humini.de

In Deutschland ist der Verkauf von Energydrinks bislang ohne Altersbeschränkung erlaubt. Es gibt keine gesetzliche Regelung im Sinne des Kinder- und Jugendschutzes. Dabei wirkt der Konsum von Energydrinks auf Minderjährige gesundheitsschädlich. Hauptgründe sind Koffein-Nebenwirkungen und eine mögliche Förderung des Übergewichts. Der Verkauf von Energydrinks an Minderjährige sollte daher schnellstmöglich verboten werden. Dieses Verbot sollte von einer Informationskampagne für Kinder und Eltern begleitet werden. Bis zu einem Verbot sollten Supermärkte die Abgabe freiwillig stoppen.

Warum wenden wir uns gegen den Verkauf von Energydrinks an Minderjährige?

Wissenschaftler der Weltgesundheitsorganisation WHO haben bereits vor über 10 Jahren in einer Veröffentlichung erklärt, warum sich der Energydrink-Konsum von jungen Menschen zu einem zunehmend großen Gesundheitsproblem entwickeln wird [1]. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat sich 2019 in einer Stellungnahme mit den Risiken der Energydrinks bei Kindern und Jugendlichen befasst und auf erhöhte gesundheitliche Risiken vor allem für das Herz-Kreislauf-System hingewiesen [2, 3]. Neue klinische Studien bestätigen, dass sowohl der akute als auch der chronisch übermäßige Konsum von Energydrinks das Risiko für Herz und Gefäße bei Kindern und Jugendlichen erhöht und sogar lebensgefährliche und tödliche Herzrhythmusstörungen auslösen kann [4].

Was sind sogenannte Energydrinks?

Energydrinks gehören derzeit zu den frei verkäuflichen koffeinhaltigen Softdrinks. Es handelt sich um zuckerhaltige Getränke, die neben Koffein weitere stimulierende Substanzen enthalten (Taurin, Inosit, Guarana, Glucuronolacton, Ginseng).

Für Energydrinks ist nach den lebensmittelrechtlichen Vorschriften [5] eine spezifische Kennzeichnung vorgeschrieben. Sofern der Koffeingehalt 150 Milligramm pro Liter übersteigt, müssen Energydrinks mit dem Hinweis „Erhöhter Koffeingehalt. Für Kinder und schwangere oder stillende Frauen nicht empfohlen“ versehen werden. Darüber hinaus sind Höchstmengen für bestimmte Stoffe vorgeschrieben, z.B. 320 mg/L für Koffein.

Energydrinks werden immer beliebter

Laut Prognose für Deutschland, wird der Konsum im Segment ‚Energydrinks & Sportgetränke‘ zwischen 2024 und 2029 kontinuierlich um rund 35% steigen [6]. Aus gesundheitlicher Sicht ist diese Entwicklung bedenklich, weil Energydrinks auch unter Kindern und Jugendlichen sehr beliebt sind: Aus den bisher durchgeführten Befragungen [2, 7, 8] geht hervor, dass etwa jede/r Dritte der 10- bis 18-jährigen und jede/r Fünfte der unter Zehnjährigen koffeinhaltige Energydrinks konsumiert. Ein Teil der jungen Konsumenten gibt an, manchmal sogar mehr als einen Liter davon zu trinken, d.h. zu bestimmten Gelegenheiten innerhalb weniger Stunden den Inhalt von vier Dosen und mehr.

Tageshöchstdosis für Koffein wird schnell überschritten

Gemäß der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit [7] sollten Kinder und Jugendliche täglich nicht mehr als drei Milligramm (mg) Koffein pro Kilogramm (kg) Körpergewicht zu sich nehmen. Hierzu zwei für die alltägliche Situation relevante Beispiele:

  • Bei einem jungen Menschen im Alter von 12 Jahren mit etwa 50 kg Körpergewicht sind dies 150 mg Koffein. Diese Menge wird schon mit zwei handelsüblichen Energydrink-Dosen mit jeweils 80 mg Koffein pro 250 Milliliter (ml) überschritten.
  • Bei einem 7-jährigen Kind mit etwa 26 kg Körpergewicht sind dies 78 mg Koffein. Diese Menge wird schon mit einer handelsüblichen Energydink-Dose mit 80 mg Koffein pro 250 ml überschritten.

In Anbetracht neuer Studiendaten ist die bestehende Tageshöchstdosis für Koffein für Kinder und Jugendliche zu hinterfragen und dürfte deutlich niedriger sein als bisher angenommen.

Gesundheitsrisiko für Kinder und Jugendliche ist wissenschaftlich zweifelsfrei belegt

Die Ergebnisse der hier zitierten Studien sind in international angesehenen Publikationsorganen veröffentlicht, die gesichertes Wissen aus allen Bereichen der Medizin, Kinder- und Jugendmedizin sowie der Wirkstoffforschung vermitteln [Quellennachweise s.u.].

Eine umfassende Übersichtsarbeit aus 2023 [9] in der Fachzeitschrift Nutrients beruht auf 145 wissenschaftlichen Publikationen zu negativen Auswirkungen von Energydrinks auf den menschlichen Körper.

Eine weitere Übersichtsarbeit wurde 2024 in der Fachzeitschrift Public Health veröffentlicht [10]. Das Review berücksichtigt 57 kritisch begutachtete Studien aus den letzten Jahren und erweitert nochmals die evidenzbasierten Erkenntnisse der Scientific Community, wonach der Konsum von Energydrinks bei Kindern und Jugendlichen nachteilige Auswirkungen auf Sozialverhalten, Essverhalten sowie Bildung hat und mit gesundheitsschädigenden Effekten verbunden ist.

Negative Auswirkungen des Energydrink-Konsums

  • erhöhter Blutdruck
  • Herzrhythmusstörungen (supraventrikuläre Extrasystolen)
  • erhöhte arterielle Gefäßsteifigkeit

sowie negative physische Auswirkungen durch

  • Förderung von Übergewicht
  • Zahnschäden (Demineralisierung)

Darüber hinaus wurden folgende Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit im Zusammenhang mit dem Konsum von Energydrinks beschrieben:

  • Suchtpotential (Substanzkonsumstörung)
  • Schlafstörungen
  • Hyperaktivität
  • Angstzustände
  • Suizidalität
  • Depression
  • Impulsivität
  • erhöhte Risikobereitschaft
  • ungesundes Essverhalten
  • Wahrnehmungsstörungen
  • akute Psychosen

Abgesehen von Übergewicht und Zahnschäden werden die Effekte überwiegend auf den hohen Koffeingehalt zurückgeführt. Allerdings kann derzeit nicht beantwortet werden, ob die Kombination mit anderen Wirkstoffen, die den Energydrinks zugesetzt werden, die Koffeinwirkung verstärken oder unerwünschte Nebenwirkungen begünstigen. Beispielsweise ist eine Auswirkung auf das Elektrokardiogramm (QT-Intervall im EKG) sowohl für Koffein als auch für das in Energydrinks ebenfalls enthaltene Taurin belegt [16]. Gleichzeitiger Alkoholkonsum (Problem bei Jugendlichen) oder anstrengende körperliche Betätigung (!) verstärken die unerwünschten Wirkungen des Koffeins.

Begünstigte Lebensgefahren durch Engerydrink-Konsum

Schon seit über 10 Jahren zitiert das Deutsche Ärzteblatt Forschungsergebnisse und Fallbeispiele, die auf das Gesundheitsrisiko nach Energydrinkkonsum hinweisen [Beispiele s. 11 – 16]. Zunächst fanden vor allem Berichte eine besondere Beachtung, wonach der Konsum von Enerydrinks zu einem medizinischen Notfall führte.

Nach einer Studie (DAWN Report) der Behörde „Substance Abuse and Mental Health Services Administration (SAMHSA)“, die dem US-Gesundheitsministerium unterstellt ist, hat sich die Zahl der Notfallaufnahmen, die von den Ärzten mit dem Konsum von Energydrinks in Verbindung gebracht wurden, zwischen 2005 und 2009 mehr als verzehnfacht [17]. Inzwischen gibt es eine längere Reihe von tödlichen oder beinahe tödlichen Fallbeispielen aus der Literatur.

Studiendaten der letzen Jahre zeigten bei jungen Erwachsenen, dass Energydrinks den Blutdruck steigern und zu nachteiligen Veränderungen des EKG (Verlängerung des QT-Intervalls) führen, was die Anfälligkeit für Herzrhythmusstörungen erhöht [18]. Bei Arzneimitteln, die einen derartigen Effekt aufweisen, ist der Entzug der Zulassung möglich, wenn das Risiko nicht durch einen höheren Nutzen ausgeglichen wird. Solche koffeinhaltigen Präparate wurden sogar vom Markt genommen, nachdem eine vergleichbare Wirkung auf das EKG nachgewiesen wurde [11].

Kinder sind besonders durch Energydrink-Konsum gefährdet

In Hinblick auf den Energydrink-Konsum von Minderjährigen ist zu bedenken, dass Kinder deutlich empfindlicher auf die negativen Koffein-Effekte reagieren als Erwachsene [19].

Eine Übersichtsarbeit aus 2024 [10], die 57 Publikationen zwischen 2016 und 2022 berücksichtigt, erweitert die Evidenzbasis dafür, dass der Konsum von Energydrinks bei Kindern und Jugendlichen Auswirkungen auf ihre körperliche, geistige, verhaltensbezogene, schulische und allgemeine Gesundheit haben kann. Die zitierten Ergebnisse stärken die vorhandenen Erkenntnisse zu den schädlichen Auswirkungen des Energydrink-Konsums und liefern evidenzbasierte Informationen für Entscheidungsträger.

Koffeein gefährdet die Herzgesundheit

Im Rahmen der neueren EDUCATE-Studie (von der Deutschen Herzstiftung gefördert) wurden erstmalig die akuten Auswirkungen des Energydrink-Konsums auf die Herz-Kreislauf-Funktion gesunder Kinder und Jugendlicher im Alter von 10 bis 18 Jahren untersucht. In der klinischen Studie wurden – aus ethischen Gründen – Mengen verabreicht, die eine bisher als unbedenklich erachtete Tageshöchstdosis an Koffein nicht überschreiten (sog. gewichtsadaptierte Energydrink-Menge). Die in 2022 und 2023 veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass der Energydrinkkonsum akute Auswirkungen auf die Herz-Kreislauf-Funktion bei gesunden Kindern und Jugendlichen hat. Bereits der einmalige Konsum war mit einer signifikanten Blutdruckerhöhung und einem gehäuften Auftreten von Herzrhythmusstörungen (supraventrikulären Extrasystolen) assoziiert [20 – 23].

Es kann davon ausgegangen werden, dass auch der chronische Energydrink-Konsum mit negativen Auswirkungen auf die Herzgesundheit einhergeht. Besondere gesundheitliche Bedenken bestehen, wenn Kinder bereits ein kardiovaskuläres Risiko aufweisen, z. B. abgeheilte Herzmuskelentzündung (Myokarditis), Herzfehler, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, Zuckerstoffwechselstörungen, Übergewicht oder ein Medikament wie Methylphenidat eingenommen wird. Letzteres ist ein Wirkstoff der als Psychostimulans zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störungen (ADHS) angewendet wird. ADHS ist eine der häufigsten psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen, wobei in Deutschland immerhin etwa 5 % der Kinder und Jugendlichen betroffen sind.

Übergewicht und Gefahren durch zu viel Zucker

Übergewicht – als Risikofaktor für die Herzgesundheit – ist bei ca. 16 % aller Kinder vorhanden. Energydrinks weisen einen relativ hohen Zucker- und Kaloriengehalt auf: Eine handelsübliche 250-ml-Energydrink-Dose hat einen Energiegehalt von 112 kcal, enthält rund 27 g Zucker und weist eine relativ hohe Glykämische Last (GL) von 19 auf. Die GL bewertet das Ausmaß des Blutzuckeranstiegs, den ein bestimmtes Lebensmittel auslöst. Lebensmittel mit einer niedrigen GL, wie ein Apfel mit einer GL von 6,4, sättigen besser und länger, da sie den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen lassen. Der regelmäßige Konsum von gesüßten Energydrinks mit schnell verfügbarem Zucker bewirkt ein stärkeres „Auf und Ab“ des Blutzuckerspiegels und begünstigt somit das Entstehen der Insulinresistenz, die das Risiko für zahlreiche Folgeerkrankungen erhöht, wie Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen. Dies gilt für den Verzehr aller zuckerhaltigen Softdrinks.

Der Gesamtzuckergehalt in Energydrinks ist zwar so hoch wie in 9 Stück Würfelzucker, allerdings setzt sich der Gesamtzucker in Energydrinks nicht nur aus dem Haushaltszucker Saccharose (= Disaccharid) zusammen, sondern enthält auch die Monosaccharide Glucose und Fructose (8,5 g bzw. 4 g in 250 ml). Deren Gehalt wird im Zutatenverzeichnis der Energydrinks nicht offengelegt. Der Fructosegehalt steht im Verdacht, sich negativ auf die Gesundheit des Stoffwechsels auszuwirken [24]. Zudem weisen mindestens 30 % der Kinder und Erwachsenen eine intestinale Fructoseunverträglichkeit auf.

In Hinblick auf die Zahngesundheit von Kindern und Jugendlichen ist bemerkenswert, dass Energydrinks den Zahnschmelz schneller und stärker schädigen können als andere Softdrinks [25]. Schäden am Zahnschmelz können bereits nach wenigen Tagen regelmäßigem Konsum festgestellt werden. Die Ursache für die schädliche Wirkung auf den Zahnschmelz sind vor allem die in Energydrinks enthaltenen aggressiveren Säuren wie Zitronensäure. Zitronensäure hat die größte erosive Wirkung, da sie als Chelatbildner für die Bindung von Kalzium aus dem Speichel und den Zähnen verantwortlich ist [26]. Dies führt zu einer Demineralisierung, wodurch der Zahnschmelz porös und anfälliger für Karies und andere Zahnschäden wird.

Koffeeinsucht bei Kindern und psychische Gefahren

Ein übermäßiger Koffeinkonsum, entweder akut oder chronisch, kann zu einer Reihe von psychiatrischen Symptomen führen, die bei ansonsten gesunden Menschen funktionelle Beeinträchtigungen hervorrufen können [27]. Besondere Beachtung findet das Suchtpotential der Energydrinks, was vor allem mit der psychoaktiven Droge Koffein zusammenhängt [28]. Koffein wirkt über einen Adenosinrezeptor-Antagonismus und eine indirekte Dopamin-Neurotransmission, um wachmachende und stimmungsaufhellende Effekte zu erzielen.

Erläuterungen zur Biochemie: Strukturell ähnelt Koffein dem Neurotransmitter (Botenstoff) Adenosin, der natürlicherweise im Gehirn vorkommt. Durch Bindung an seine Rezeptoren, bewirkt Adenosin ein Gefühl der Müdigkeit. Koffeinmoleküle verhindern dies, weil sie sich aufgrund ihrer molekularen Ähnlichkeit in die Adenosinrezeptoren der Gehirnzellen einfügen und diese blockieren. Wenn Koffeinmoleküle die Adenosin-Rezeptoren blockieren, fühlt man sich wach und energiegeladen, bis das Koffein abgebaut ist.

Darüber hinaus werden einige der natürlichen Stimulanzien des Gehirns freigesetzt – wie z. B. Dopamin – und wirken effektiver, wenn die Adenosinrezeptoren blockiert sind. Weiterhin veranlasst der Überschuss an Adenosin die Nebennieren zur Ausschüttung von Adrenalin, einem Hormon, das die Wachsamkeit weiter erhöht und das Gefühl der Müdigkeit verringert.

Bei regelmäßigem Konsum von Koffein, bilden die Gehirnzellen mehr Adenosinrezeptoren, um das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Auf diese Weise entwickelt sich eine Toleranz gegenüber Koffein. Da das Gehirn mehr Adenosinrezeptoren hat, ist dann mehr Koffein erforderlich, um einen erheblichen Teil davon zu blockieren und die gleiche gewohnte Wirkung zu erzielen.

Die gewohnheitsbildende Substanz Koffein führt dann zu dem Verlangen nach einem neuen Energy-Drink, sobald die Wirkung nachlässt. Der Schweregrad der Koffeinsucht wird danach bemessen, wie verzweifelt sich Betroffene fühlen, wenn sie Koffein möchten und es nicht bekommen, und wie sehr dies das tägliche Leben beeinträchtigt.

Die „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ listet das Koffein auch in der aktuellen Version (ICD-11) unter den „Störungen durch Substanzgebrauch und Verhaltenssüchte“.

In Hinblick auf die mentalen Wirkungen und das Suchtpotential der psychotropen Substanz Koffein ist besondere Vorsicht geboten, weil Kinder deutlich empfindlicher reagieren als Erwachsene [19]. Befragungen von Kindern und Jugendlichen und die zahlreichen Berichte von betroffenen Minderjährigen in den Sozialen Medien, lassen gravierende Probleme infolge einer Energydrink-Abhängigkeit erkennen. [2, 7, 8]

Aktuelle Situation der Risikowahrnehmung

Ungeachtet der wissenschaftlich belegten Erkenntnisse, besteht immer noch eine weitgehende Unwissenheit der Konsumenten über die gesundheitsgefährdende Wirkung von Energydrinks. Anderenfalls würden es Eltern sicherlich niemals befürworten, dass ihre Kinder regelmäßig ein koffeinhaltiges Getränk konsumieren, das ein hohes Gesundheitsrisiko verursacht.

Auch ein Werbeverbot ist sinnvoll

Energydrinks werden massiv und aggressiv beworben, beispielsweise auch vor Grundschulen und bei Sportveranstaltungen für Kinder. Obwohl Kinderkardiologen – wegen der negativen Auswirkungen auf die Herzgesundheit – dringend empfehlen, Energydrinks vor oder während sportlicher Betätigung nicht einzunehmen, wird der Energydrink-Konsum in der Werbung oft in Verbindung mit sportlichen Erfolgen gebracht. Zudem werden durch Idole im Sport und der erwachsenen Welt zusätzlich Konsumanreize geschaffen. Dazu gehören prominente Skateboard-Fahrer, die von bestimmten Marken gesponsert werden. Dies macht die „süße Koffeinbrause“ für die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen sehr attraktiv. Seit kurzem ist einer der bekanntesten deutschen Fußball-Trainer in der Position des „Global Head of Soccer“ als weltweiter Fußballchef für den Konzern Red Bull tätig, der den größten Marktanteil bei Energydrinks aufweist.

Zitat der Autoren der EDUCATE-Studie [4] S. 3: „Durch die Einschränkung entsprechender Werbemaßnahmen könnten Minderjährige vor einer solch verzerrten Darstellung geschützt werden. Profisportler sowie Veranstalter von Sportevents sollten sich hierbei ihrer Vorbildrolle bewusst sein.“

Verkaufsverbot genießt große Zustimmung in der Bevölkerung

Laut einer repräsentativen Umfrage von Verian im Auftrag von foodwatch [29] befürworten 90 % der Befragten ein gesetzliches Mindestalter für den Verkauf, weil sie Energydrinks für Kinder und Jugendliche für gesundheitsschädlich halten.

Auch der Bürgerrat für Ernährung des Deutschen Bundestages hat dem Bundestag empfohlen, eine Altersbegrenzung für die Abgabe von Energydrinks zu beschließen.

Politiker sind jetzt zum Handeln aufgefordert!

Vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der kritischen Bewertung des Energydrink-Konsums in den Medien ist es nicht nachvollziehbar, dass Entscheidungsträger aus der Politik das nachweislich bestehende Gefährdungspotential für Kinder immer noch ignorieren und sogar den gut begründeten Vorschlägen zum Verbot des Verkaufs von Energydrinks an Minderjährige widersprechen. Beispielsweise sprach sich der stellvertretende Fraktionsvorsitzende für die Themen Ernährung, Landwirtschaft und Heimat, Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, gegen den Vorschlag eines Verkaufsverbots an Kinder aus und sagte zu BILD [Bericht vom 20.06.2024]: „Eine Altersgrenze ab 16 Jahren für den Verkauf von Energydrinks wäre kein wirksames Mittel. Das würde nur den Reiz des Verbotenen bei Jugendlichen steigern.“ Falls man diesem Argument folgen würde, könnte man auch das Verkaufsverbot von Alkohol und Zigaretten aufheben und nichts gegen die Cannabis-Abgabe an Minderjährige unternehmen.

Die noch bestehende Beratungsresistenz von einigen politischen Entscheidungsträgern ist hinsichtlich des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die gesundheitsgefährdende Wirkung von Energydrinks nicht nachvollziehbar und wird der besonderen Veranwortung für den Schutz der Gesundheit der Kinder nicht gerecht.

Wenig nachvollziehbar ist auch die zögerliche Bewertung des Gesundheitsrisikos durch die zuständigen Behörden sowie die bisher wirkungslose Politikberatung, obwohl schwerwiegende Gesundheitsrisiken bei Energydrink-Konsum seit über 10 Jahren bekannt sind und inzwischen neue klinische Studien vorliegen.

Es stellt sich die Frage, warum die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages in ihrem Bericht vom 18.06.2024 [30] „Zu Altersbeschränkungen für den Verkauf von Energydrinks“ die neuesten Ergebnisse klinischer Studien aus den Jahren 2022/2023 nicht berücksichtigen und die Schlussfolgerung einer Übersichtsarbeit aus 2024 nicht erwähnen, die sogar als Referenz im Bericht gelistet wurde [10] – S. 279 – Zitat aus dem Englischen übersetzt: „Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer Regulierungspolitik und einer Einschränkung des Energydrink-Konsums bei Kindern und Jugendlichen, einschließlich eines Verkaufsverbots für Energydrinks und einer Begrenzung der direkten Werbung für jüngere Altersgruppen“.

Prof. Dr. Hans Meisel – Dir. u. Prof. a.D., habilitiert für Lebensmittellehre und spezielle Humanernährung, wissenschaftliche Reputation und internationale Anerkennung der langjährigen biochemischen Arbeiten im Forschungsbereich Wirkstoffe/Bioaktive Substanzen.

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Quellennachweise

[1] Energy drink consumption in Europe: a review of the risks, adverse health effects, and policy options to respond. Breda, J, J, et al., Frontiers in publich health, 2014, Vol. 2, Article 134.

[2] Kinder und Jugendliche: Übermäßiger Konsum von Energy Drinks erhöht Gesundheitsrisiko für Herz und Kreislauf. Stellungnahme Nr. 018/2019 des BfR vom 27. Mai 2019

[3] Gesundheitliche Risiken durch den übermäßigen Verzehr von Energy Shots. Stellungnahme Nr. 001/2010 des BfR vom 2. Dezember 2009

[4] Energydrinks und ihre Auswirkungen auf die Herz-Kreislauf-Funktion bei Kindern und Jugendlichen. Ergebnisse der EDUCATE-Studie und ein beispielhafter Behandlungsbericht. Oberhoffer, F. S. et al., Monatsschrift Kinderheilkunde, 2023, 6.

[5] Fruchtsaft- und Erfrischungsgetränke-VO, EU-Verordnung Nr. 1169/2011

[6] Statista, 2024

[7] EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies (NDA) (2015) Scientific Opinion on the

safety of caffeine, EFSA, 2015, EFS213(5):425.

[8] Foodwatch. Nachricht vom 02.10.2024, www.foodwatch.org/de/so-viele-energydrinks-trinken-jugendliche

[9] The Dark Side of Energy Drinks: A Comprehensive Review of Their Impact on the Human Body. Nutrients_2023. Costantino, A. et al., Nutrients, 2022, 15.

[10] Consumption of energy drinks by children and young people: a systematic review examining evidence of physical effects and consumer attitudes. Ajibo, C. et al., Public Health, 2024, 227.

[11] Energydrinks erhöhen Blutdruck und verlängern QT-Intervall. Deutsches Ärzteblatt, 2019 (News 03.06.19).

[12] Tod eines US-Teenagers: Wie sicher sind Energydrinks? Deutsches Ärzteblatt, 2012 (News 24.10.12).

[13] Energydrinks stressen den Herzmuskel. Deutsches Ärzteblatt, 2013 (News 02.12.13).

[14] Forscher warnen vor Energydrinks. Deutsches Ärzteblatt, 2014 (News 21.10.14).

[15] Übermäßiger Konsum von Energy Drinks gefährlich für Kinder und Jugendliche. Deutsches Ärzteblatt, 2019 (News 27.05.19).

[16] Energydrinks lösen kardiale Symptomatik aus. Oberhoffer, F. S. et al., Deutsches Ärzteblatt, 2022, 119(37). Supplement: Perspektiven der Kardiologie.

[17] Emergency Department Visits Involving Energy Drinks. Substance Abuse and Mental Health Services Administration (SAMHSA), The DAWN Report, 2011.

[18] Impact of High Volume Energy Drink Consumption on Electrocardiographic and Blood Pressure Parameters: A Randomized Trial. Shah, S. A. et al., Journal of the American Heart Association,2019, 11.

[19] Pharmacology of caffeine and its effects on the human body. Reddy, V. S. et al., European Journal of Medicinal Chemistry Reports, 2024, 10.

[20] Energy Drinks and Their Acute Effects on Arterial Stiffness in Healthy Children and Teenagers: A Randomized Trial. Li, P. et al., Journal of Clinical Medicine, 2022, 11.

[21] Energy Drinks: Effects on Blood Pressure and Heart Rate in Children and Teenagers. A Randomized Trial. Oberhoffer, F. S. et al., Frontiers in Cardiovascular Medicine, 2022, 9.

[22] Energy Drinks and Their Acute Effects on Heart Rhythm and Electrocardiographic Time Intervals in Healthy Children and Teenagers: A Randomized Trial. Mandilaras, G. et al., Cells. 2022, 11.

[23] Energy drinks: effects on pediatric 24-h ambulatory blood pressure monitoring. A randomized trial. Oberhoffer, F. S. et al., Pediatric Research, 2023, 94.

[24] Sugar Content of popular Sweetened Beverages Based on Objective Laboratory analysis: Focus on Fructose Content. Ventura, E. E. et al., Obesity, 2011, 19.

[25] Multicenter study to develop and validate a risk assessment tool as part of composite scoring system for erosive tooth wear. Margaritis, V. et al., Clinical Oral Investigations, 2021, 25.

[26] Erosive potential of energy drinks on the dentine surface. Pinto, S .C, S. et al., BMC Research Notes, 2013, 6.

[27] Disorders Due to Substance Use: Caffeine. Sweeny, M. M & Griffiths, R. R. In: Tasman, A. et al. Tasman’s Psychiatry, 2023, Springer, Cham.

[28] Energy Drink Use Disorder – A Review of the Literature. Cholewa et al., Teka Komisji Prawniczej, 2023, 16.

[29] Foodwatch, 2024. Nachricht vom 03.06.2024, www.foodwatch.org/de/mehrheit-will-altersgrenze-fuer-energydrinks

[30] Zu Altersbeschränkungen für den Verkauf von Energydrinks. Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, 2024. Sachstand WD 8 – 3000 – 043/24.